Der Mensch hat keinen Resetknopf

Unfallpräventionsarbeit an Schulen: Mit der Aktion „Crash Kurs NRW“ haben Polizei und Rettungskräfte rund 200 Schülern der zehnten und elften Klassen der Hüberts‘schen Schule sowie der Real- und der Hauptschule Hopsten eindringlich und anschaulich die Ursachen und Folgen von schweren Verkehrsunfällen vermittelt.

2017 Crash Kurs NRW

In der Aula der St.-Georg-Hauptschule ist es laut. Rund 200 Schüler der zehnten und elften Klassen der Hüberts‘schen Schule, der Real- und der Hauptschule Hopsten warten darauf, dass der „Crash Kurs NRW“ beginnt. Dann betritt Ludwig Schmitt, Polizeihauptkommissar, die Bühne. Er bietet den Jugendlichen noch an, die Aula zu verlassen, wenn sie in letzter Zeit einen Todesfall im näheren Bekanntenkreis erlebt haben. Daraufhin wird es leiser. Die Schüler scheinen zu ahnen, dass sie jetzt etwas Heftiges erwartet.

Mit dem Lied „Geboren, um zu leben“ leitet Schmitt den Vortrag zur Unfallprävention ein. Währenddessen ist auf einer Leinwand die Karte des Kreises Steinfurt zu sehen und Gedenkstätten, die an vielen Straßenrändern im Kreis zu finden sind. Gedenkstätten für verunglückte Jugendliche. Allein im vergangenen Jahr waren es 25 Unfalltote im Alter von 18 bis 24 Jahren, erklärt Schmitt: „Fahranfänger nennt man diese Altersgruppe. Da gehört ihr bald dazu.“

Um den Jugendlichen deutlich zu machen, wie schnell ein Verkehrsunfall passieren kann, erzählen einige Leiter des „Crash Kurses“ von ihren jeweils prägendsten Unfalleinsätzen. Auch einige Bilder der Unfallstellen werden gezeigt. So erklärt Polizistin Lara Höltker, dass sie den Fall eines 18-jährigen Mädchens nicht so schnell vergessen wird. Auf dem Foto hinter Höltker ist das Innere eines völlig zerquetschten Autos zu sehen. „Mir ist eines sofort aufgefallen“, erinnert sie sich, „Das Handy des Mädchens lag im Fußraum. Das Display leuchtete noch.“ Eine Leichtsinnigkeit, der viele Jugendliche verfallen, weiß Schmitt. Er erklärt, dass bei 50 Stundenkilometern 13 Meter Blindflug zurückgelegt werden, wenn man nur eine einzige Sekunde auf das Handy schaut. Das kann schwere Folgen haben.

Genau so, wie zu schnell oder betrunken Auto zu fahren, erklärt Dr. Michael Micke, Leitender Notarzt. Der Fall, von dem er erzählt, und die gezeigten Bilder lassen die Gesichter der Jugendlichen blass werden. Einige verlassen sogar die Aula. Er erzählt von zwei Jungs, die betrunken mit dem Auto von der Straße abgekommen sind. Einer stirbt, der andere erleidet schwere Hirnschäden. Deshalb rät er: „Fahrt niemals unter Alkohol- oder Drogeneinfluss und steigt bei so jemandem auch nicht ein!“ Es gebe immer eine Möglichkeit anders und vor allem sicher nach Hause zu kommen.

Glück im Unglück hatte Ingo Kottig, der den Schülern von seinem Motorradunfall erzählt. Er verzichtete bei einer Fahrt auf seine Jacke mit Rückenprotektoren, stürzte und sitzt nun seit 16 Jahren im Rollstuhl, querschnittgelähmt. „Hätte, wenn und aber hilft danach nicht mehr. Tragt Schutzkleidung, legt die Sicherheitsgurte an. Dafür sind die Sachen da!“, appelliert er an die Jugendlichen. Denn keiner von ihnen soll und will der Grund dafür sein, dass Pfarrerin Miriam Seidel die Todesnachricht an die Eltern überbringt. „Das Absurde ist, dass eure Eltern vielleicht gerade beim Frisör sitzen oder euer Mittagessen kochen, während ihr sterbt“, erklärt Seidel. Das verkraften sie nicht.

Dass nicht mehr 24 Prozent, sondern „nur noch“ 19 Prozent aller Verkehrsunfälle im Kreis Steinfurt von Fahranfängern verursacht werden, sei Präventionskampagnen wie dem „Crash Kurs NRW“ und dem begleiteten Fahren ab 17 Jahren zu verdanken, sagt Ludwig Schmitt. „Den Jugendlichen wird deutlich, dass das nicht so läuft, wie bei Kobra 11“, erklärt er. Jeder entscheidet selbst: Gucke ich aufs Handy oder nicht. Schwarz oder Weiß. Grautöne gibt es nicht. Der Mensch hat keinen Resetknopf.

 

Quelle: Carina Tissen, IVZ Online (URL: http://www.ivz-aktuell.de/Artikel/147872/Lokales/Der-Mensch-hat-keinen-Resetknopf, Zugriff am 06.04.2017)