Von Hexerei in der Friedensstadt
Geschichtskursus der Hüberts’schen Schule forscht zu Prozessen und Verfolgung im 16. und 17. Jahrhundert
Vor Dr. Nicolas Rügge liegen einige kleine, bereits vergilbte Bücher. Nur ganz vorsichtig und mit weißen Handschuhen fasst Rügge die Schriftstücke an. Wenn er sie aufblättert, verströmen sie einen leicht moderigen Geruch. Die Buchstaben sind schwierig zu entziffern, sie sind fein säuberlich in Frakturschrift geschrieben. Doch hinter den merkwürdig anmutenden Schriftzeichenverbergen sich wichtige, spannende Informationen. Erzählen die Bücher doch von den Osnabrücker Hexenprozessen.
Denn auch in der Stadt des Westfälischen Friedens hat es sie gegeben, die Hexenverfolgung. Schüler des Geschichtsgrundkurses der Jahrgangsstufe 13 der Hüberts’schen Schule haben sich für ein halbes Jahr in dieses Thema vertieft. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Eine gebundene, fast 70 Seiten starke wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Die Empörung über die Hexenprozesse in Osnabrück 1636 bis 1639“ ist entstanden. Und die Arbeit ist so gut, dass sie ab sofort Teil des Staatsarchivs Osnabrück ist. Deshalb überreichten die Schüler zusammen mit Lehrer Mike Hukriede ein Exemplar persönlich an Dr. Nicolas Rügge, stellvertretender Leiter des Archivs.
Stolz überreichten die Schüler des Grundkurses Geschichte der Jahrgangsstufe 13 an der Hüberts´schen Schule Hopsten ein Exemplar ihrer Arbeit Dr. Nicoals Rügge, stellvertretender Leiter des Staatsarchivs Osnabrück. Sie haben für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten zum Thema Hexenverfolgung geforscht. (Foto: Antje Raecke)
Angefangen hat alles mit dem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Dieser hat in diesem Jahr das Thema „Ärgernis, Aufsehen, Empörung: Skandale in der Geschichte“. Einige Sitzungen später und ein bisschen „Gegoogle“ führen den Kursus schließlich zu dem Entschluss, sich mit den Hexenprozessen zu beschäftigen.
In ihrer Recherche, die vor einem halben Jahr begann, stoßen die Schüler schnell auf Gerhard Grave, einen evangelischen Pastor der Marienkirche, der die Hexenprozesse stets vehement kritisiert hatte. Die Frage, die sich die Gruppe stellt, lautet: „Waren die Verfolgungen und Prozesse aus damaliger Sicht ebenso skandalös und empörend wie aus heutiger?“ Eine Sichtweise, die auch den gestandenen Wissenschaftler Rügge beeindruckt: „Diese Perspektive ist ungewöhnlich. Ihr habt historisches Denken gelernt.“
Die Antwort auf ihre Frage erschreckt die jugendlichen Forscher. „Generell war es damals kein Skandal“, erzählt Sangeetha Srirangan (20). Eine Überraschung angesichts der vielen Frauen, denen willkürlich Hexerei nachgesagt, die gefoltert und auch umgebracht worden seien.
Hauptquelle war das Buch „Von der Wasserprob“ von Pastor Grave, das Mike Hukriede extra transkribiert. Das Staatsarchiv hilft zudem mit dem Jahrbuch des historischen Vereins von 1875 und einer Streitschrift aus dem 17. Jahrhundert. „Es ist bis heute die beste Literatur zu diesem Thema“, erklärt Dr. Nicolas Rügge. Ihn freut der Forscherdrang der Hopstener Schüler nicht nur, weil jetzt eine Arbeit mehr im Archiv steht: „Von dieser Arbeit werden auch andere etwas haben. Sie kann mit jeder Seminararbeit von Studenten mithalten.“ Daher seien die jungen Menschen auch gut auf die Anforderungen im Studium vorbereitet.
Den Schülern hat der ungewöhnliche Geschichtsunterricht Spaß gemacht. Die Arbeit in verschiedenen Gruppen, das Zusammentragen der Informationen, die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema stößt auf Begeisterung. Auch, wenn vieles zusätzlich zum Unterricht gemacht werden muss. Daher sind alle entsprechend stolz, die erste Arbeit aus Hopsten ins Staatsarchiv bringen zu dürfen. Und wer auf Lesen keine Lust hat, kann sich mit einer zusätzlich entwickelten Präsentation durch die Stadt leiten lassen, vorbei an allen Schauplätzen der Verfolgung und Folterung. Manch einer dürfte dabei ins Staunen geraten, wenn er erfährt, was im Eingang zur Tiefgarage am Kumpersturm (Herrenteichswall) einst vor sich ging.
Mehr zum Geschichtswettbewerb unter www.koerber-stiftung.de. Die Preisverleihung ist am 18. November in Berlin.
Quelle: IVZ Online, URL: http://www.ivz-online.de/lokales/kreis_steinfurt/hopsten/1529014_Staatsarchiv_Osnabrueck_will_Hopstener_Arbeit_ueber_Hexenverfolgung.html (2001-04-14)